Sie ist 47 Jahre alt, verheiratet und arbeitet als freie Journalistin und Texterin. Wir haben sie befragt, wie ihr Corona-Pandemie-nicht-Alltag im Mai 2020 aussieht.
(1) Du Liebe, erzähle etwas über Dich! Wo, wie und mit wem lebst Du?
Ich lebe mit meinem Mann in Frankfurt am Main. Wir haben eine schöne Eigentumswohnung in einem Frankfurter Neubaugebiet, mit netter Hausgemeinschaft und Blick auf den Taunus. Ich arbeite im Home Office. Wir haben keine Kinder und auch keine Tiere.
Was war
(2) Wie war Dein Leben, Dein Alltag VOR Corona?
Mein Alltag war in den vergangenen Monaten sehr stressig, da meine Mutter im Mai 2019 an einem Gehirntumor erkrankt ist und seit August im Hospiz war. Daher habe ich viel Zeit in meiner Heimatstadt verbracht, um ihr und meinem Vater beizustehen. Hinzu kamen berufliche Reisen, sodass ich manchmal nur 4-5 Nächte pro Monat in meinem eigenen Bett geschlafen habe. Ich war beruflich stark ausgelastet, kann wie die meisten Selbständigen zu Aufträgen schlecht nein sagen und bin daher manchmal an den Rand meiner Kräfte gekommen. Dem fortschreitenden Verfall meiner Mutter zuzusehen, hat auch viel Kraft gekostet. Meinen Mann habe ich ähnlich selten gesehen wie mein Zuhause.
Was ist
(3) Was hat sich seit der Quarantäne / Ausgangsbeschränkung für Dich verändert? Welche Einschränkungen erlebst Du / erlebt ihr?
Der Lockdown hat alles noch schlimmer gemacht. Die Besuchsmöglichkeiten bei meiner Mutter wurden drastisch eingeschränkt, teilweise durfte nur noch eine Person zu ihr. Mein Vater hat entschieden, dass ihm die Kraft fehlt, sodass ich diese Person war. Dadurch kam ich überhaupt nicht mehr nach Hause nach Frankfurt. Ich konnte es nicht ertragen, dass meine Mutter in ihren letzten Tagen alleine ist, sodass ich die unverminderte Arbeitsbelastung mit möglichst langen Besuchen mit ihr verknüpfen musste. Mein Vater saß derweil weinend zu Hause, meine Mutter fragte ständig nach ihm und meinem Bruder, der auch darunter litt, dass er nicht zu ihr durfte. Erst, als klar war, dass es nun wirklich mit ihr zu Ende gehen würde, durften beide sie wiedersehen. Ich habe das, bei allem Verständnis für den notwendigen Schutz der Bewohner und Mitarbeiter im Hospiz, als großes Unrecht und zusätzliche Belastung in einer ohnehin schon sehr schweren Situation empfunden.
(4) Wie sieht ein GUTER Tag in dieser (Corona) Zeit aus?
Ein guter Tag ist, wenn ich gut geschlafen habe, ohne dass das Gedankenkarussell zu viel Fahrt aufgenommen hat. Wenn sie im Morgenmagazin sagen, dass die Infektionszahlen sinken und ich es morgens etwas langsamer angehen lassen kann, weil nicht zu viel Arbeit wartet. Wenn dann meine Kunden meine Texte mögen und ohne zu viele Änderungswünsche abnehmen. Wenn ich meinen inneren Schweinehund überwinde und joggen gehe. Wenn ich abends Zeit habe, etwas zu kochen, das meinem Mann schmeckt, und ich das Gefühl habe, am Tag etwas geschafft und gut gemacht zu haben. Und wenn dann noch ein guter Film läuft und Gin Tonic im Haus ist 😊 , dann finde ich Self Isolation FAST gut!
(5) Wie sieht ein schlechter Tag in dieser (Corona) Zeit aus?
Jeder Tag war so wie oben beschrieben! Der schlimmste Tag war, als meine Mutter am Ostersamstag in meinem Beisein gestorben ist. Auch, wenn das nach all den Monaten des Leids mit einer gewissen Erleichterung verbunden war.
(6) Was fordert Dich aktuell am meisten? Was ist Deine größte Herausforderung?
Ich sehne mich danach, meine aufgebrauchten Kraftreserven wieder aufzufüllen, aber wider Erwarten lässt mein Auftragsvolumen trotz Corona bisher kaum nach. Aber immerhin kann ich jetzt wieder einen einigermaßen normalen Alltag zu Hause leben. Das hilft sehr. Ein Urlaub wäre schön, aber alle Pläne sind ja zunichte gemacht.
(7) Wovon möchtest Du weniger / mehr?
Weniger Arbeit, mehr Zeit zum Trauern und Wiederzumirkommen.
(8) Was macht Dich traurig? Was ist schwer für Dich? Was macht Dir Angst?
Traurig machen mich die Nöte der Menschen, die durch Corona entweder ihr Leben oder ihre Existenz gefährdet sehen. Ich habe große Angst vor einer anhaltenden Wirtschaftskrise mit all ihren schrecklichen Folgen, vor allem für die ärmeren Teile der Welt. Und vor wieder steigenden Todeszahlen durch Corona.
Der Tod meiner Mutter zusammen mit Corona fühlt sich an, als sei das Leben, wie ich es kannte, unwiderruflich vorbei, obwohl ich mir zurzeit persönlich weder beruflich noch finanziell Sorgen mache. Ich gehe davon aus, dass das Leben in den nächsten Jahren für uns alle sehr viel schwieriger und freudloser wird als bisher. Wobei wir im „reichen“ Westen sicher im Vergleich zu anderen Völkern immer noch fein raus sind. Diese Herausforderungen muss ich nun ohne den Rat meiner „besten Freundin“ meistern. Das Gefühl macht ziemlich einsam.
(9) Was macht Dich glücklich? Worauf bist Du stolz? Wofür bist Du dankbar?
Glück und Stolz fühle ich gerade nicht. Dankbar bin ich, dass meine Mutter nicht mehr leiden muss und dass mein Vater mit der Situation einigermaßen zurechtkommt. Dankbar bin ich meinem Bruder, der sich toll um ihn kümmert, sodass ich in Frankfurt sein kann. Dankbar bin ich auch, dass ich mich persönlich finanziell sicher fühle (was natürlich immer eine Illusion sein kann), dass nach wie vor so viele Kunden meine Arbeit schätzen und ich selbst keine Angst um meine Existenz haben muss – auch, weil mein Mann eine sichere Stelle im öffentlichen Dienst hat. Und dass ich selbst und alle Menschen, die ich liebe, weitestgehend gesund sind.
Was kommt
(10) Was verändert sich dauerhaft für DICH / für UNS?
Ich hoffe, dass die Menschen unseren rücksichtslos-konsumorientierten Lebensstil auf Kosten des Planeten und zukünftiger Generationen endlich in Frage stellen. Nach wie vor halte ich den Klimawandel für die weitaus größere Bedrohung als Corona. Leider wird dagegen nicht annähernd so entschlossen gekämpft. Ich persönlich würde gerne meinen Beitrag leisten im Sinne von ‚Weniger ist mehr‘.
(11) Was wünschst Du Dir für die Zeit „DANACH“? Worauf freust Du Dich?
Ich freue mich, wieder reisen zu können und wieder die Menschen zu treffen, die ich mag.
(12) Gibt es schon konkrete Pläne, Termine, Berufliches für „danach“?
Nein, alles offen.
Deine Botschaft
(13) Was möchtest Du noch mitteilen? Was möchtest Du anderen mitgeben? Hast du einen TIPP?
Meine aktuelle Situation ist sicher sehr speziell und mit den Herausforderungen von Müttern im Home Office, Menschen, die ihren Job verlieren, oder denjenigen, die durch Corona ernsthaft krank werden o.Ä. nicht zu vergleichen. Was ich in der Krise gelernt habe, ist, dass man Dinge manchmal einfach hinnehmen muss. Und dass es uns im Vergleich zu den meisten anderen Menschen immer noch sehr gut geht.
Danke Dir für dieses Interview!
(Darmstadt, im Mai 2020)